Vorher
Anfangen möchte ich mit den Aspekten, welche die Widerstandskräfte stärken. Denn wie wir oben gesehen haben (Lazarus-Stressmodell), ist mein Stressempfinden davon abhängig, wie ich die Situation bewerte. Wenn ich erholt und voll bei Kräften bin, werde ich mich nicht so schnell bedroht fühlen, als wenn ich übermüdet oder ausgelaugt bin. Deshalb muß ich erst einmal dafür sorgen, dass der Körper möglichst gut versorgt ist. Ich gehe hier nicht genauer auf die Qualität der Ernährung ein, aber eine ausgewogene vollwertige Ernährung unterstützt uns auf alle Fälle maßgeblich. Auch für ausreichende und ruhige Schlafphasen ist zu sorgen, denn nur dann haben wir genug Energie, um die Situation zu unserem Gunsten zu bewerten.
Resilienz
In der Literatur zum Thema Resilienz haben sich verschiedene Ansätze etabliert. Zum einen das Modell der sieben Säulen der Resilienz, die einen Menschen im Umgang mit Stressoren stärken: Optimismus, Akzeptanz, Handlungsfähigkeit, Verantwortungsbereitschaft, Lösungsorientierung, Netzwerkpflege und Zukunftsplanung. Dieser sehr spezifische Blick auf unsere Widerstandskräfte läßt sich aber auch zusammenfassen in drei größere Kernbereiche: Optimismus, Selbstwirksamkeitserwartung und Soziale Unterstützung. Andere Autoren verwenden wieder andere Grundhaltungen, aber sie befinden sich zwischen den beiden oben genannten Ansätzen.
Stärkung von Optimismus
Raffael Kalisch schreibt in „Der resiliente Mensch“: „Wer unnötig und unrealistisch negative, gar pessimistische oder katastrophisierende Bewertung vermeidet, schaltet sein Stresssystem erst gar nicht in übertriebenem Maße an. Wer dazu auch noch den ein oder anderen Vorteil in belastenden Situationen sieht, oder sich eher einen positiven Ausgang vorstellt, wird darüber hinaus sein Belohnungssystem aktivieren, das die angenehme Eigenschaft besitzt, dass Stresssystem zu hemmen.“
Natürlich stellt sich die Frage, inwieweit Optimismus eine veränderbare Größe ist. Untersuchungen zeigen, dass wir aus der Vielzahl der möglichen Informationen/Signale, die uns ständig umgeben nur eine sehr geringe Anzahl wahrnehmen und bewusst verarbeiten. Die Zahlen schwanken bezüglich des Umfanges, aber die Ausrichtung ist immer die gleiche und eindeutig. (Ca. 11 Mio Reize umgeben uns zu jeder Sekunde, mit unseren Sinnesorganen könnten wir davon ca. 3 Mio wahrnehmen und nur ca. 11, bzw. 60 davon registrieren wir tatsächlich bewusst.
Wenn ich jetzt also von den Reizen mehr aufnehme, die mich fröhlicher machen, dann verändere ich damit meinen Zustand in Richtung Optimismus. Da die Reize primär nicht bewusst registriert werden, muss ich mein Unterbewusstsein konditionieren. Dies gelingt, wie alle Lernerfolge über Üben. Ein Weg dafür ist, ein Glückstagebuch zu schreiben, in dem ich all das notiere, was ich als besonders schön wahrnehme. Das Geschriebene lese ich abends vor dem Einschlafen ganz bewusst und erinnere mich an die Situation. Das hat gleich zwei positive Effekte; Zum einen verarbeite ich das Schöne nochmals und sage meinem Erinnerungsspeicher damit, dass ich es als herausragend werte. Zum anderen stimme ich mich vor dem Einschlafen auf etwas Schönes ein und verbessere damit die Qualität meiner Nachtruhe. Statt des Tagebuches kann ich auch Objekte (Bohnen, Kiesel, oder ähnliches) von einer in die andere Tasche wandern lassen, wenn ich etwas Schönes wahrnehme. Oder ich kann Photos mit dem Handy machen. Wichtig ist dabei immer, es abends nochmals bewusst wieder hervorzuholen. Mache ich dies über einen längeren Zeitraum, verändert sich auch der Fokus meines Unterbewusstseins und ich werde immer mehr schöne Dinge wahrnehmen.
Bewusstwerdung von Erreichtem
Ein anderer Weg die Quelle des Optimismus zu fördern liegt darin, sich bewusst zu machen, was man in seinem Leben schon geschafft hat. Mit dem Fokus auf Erreichtes, wird man sich seiner Kraft bewusster. Dies können Ereignisse aus der Kindheit sein (Schule, Sport, Soziales) oder auch später (Führerschein, Ausbildung, …), im Arbeitsleben (Projekte, schwierige gemeisterte Situationen, Gehaltsforderungen, … ) und im Privaten (Partnerschaft, Familie, Freunde, Vereine, …). Betrachte ich die Dinge, welche ich erreicht habe, werde ich auch zuversichtlicher, die anstehenden Aufgaben gut lösen zu können. Mit dieser Methode stärke ich mich auch im Feld ‚Selbstwirksamkeit‘. Ich sehe, das ich mein Leben selbst mitgestaltung, gewinne also Potenz.
Soziale Unterstützung
Um bei anderen Menschen Hilfe suchen zu können, ist es wichtig erst einmal zu gucken, wie das eigene Netzwerk aufgestellt ist. Dafür gilt es zu überlegen, welche Freunde kannst Du zu jeder Tages- und Nachtzeit anrufen? Mit wem verbindet Dich eine lange Geschichte und besondere Erlebnisse? Wen von Deiner Verwandtschaft hast Du besonders gern? Zu welchem Nachbarn hast Du Vertrauen? Wer aus dem Bereich Deiner Hobbys hat sich als zuverlässig und zugewandt erwiesen? Wenn Du diese Menschen definiert hast, solltest Su als nächsten Schritt überlegen, wann Du mit diesen Menschen zuletzt Kontakt hattest. Vielleicht wäre es im ein oder anderen Fall mal wieder an der Zeit, dass Du dich in Verbindung setzt.
Zeige den Menschen, dass sie eine besondere Bedeutung für Dich haben. Stärke das vertrauensvolle Verhältnis, wertschätze diese Menschen, sei es durch ein Kompliment, gemeinsam verbrachte Zeit, oder einen Anruf. Dadurch wirst Du Dir bewusster, dass Du nicht allein bist, sondern Menschen hast, die Dich unterstützen können. Allein das Wissen gibt Dir schon zusätzliche Energie. Bleibe darüber hinaus zugewandt und hören Dir an, was diese Menschen Dir mitteilen wollen. So wird Dein Netzwerk kontinuierlich stabiler und die Fäden halten auch mal einen Sturm aus und fangen Dich auf, wenn Du selbst Hilfe benötigst. Vielleicht willst Du Dein Netzwerk auch erweitern und neue Fäden knüpfen?! Der einfachste Weg Menschen kennen zu lernen geht über ein Lächeln. Grüssen Deine Arbeitskollegen freundlich und mit einem Lächeln. Vielleicht wechseln ihr ein paar private Worte und Du lernst so neue interessante Menschen kennen, die bald Teil Deines Netzwerkes werden. Je stärker und bewusster Dir Dein Netzwerk ist, umso mehr Fäden stützen das Seil, dass Dich im Fall eines Sturzes auffangen würde. Das gibt Dir Sicherheit und Entspannung.
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